Antigone in der Kammeroper

Kritik Antigone von Tommaso Traetta. Eine Neuproduktion des Theaters an der Wien in der Kammeroper,  Wien mit dem Jungen Ensemble Theater a.d.Wien

Musikalische Leitung Attilio Cremonesi, Inszenierung Vasily Barkhatov

Ehrlich gesagt, ich war aufgrund der Ankündigung und einiger Fotos doch eher skeptisch, aber meine Skepsis sollte sich bald als falsch herausstellen.

Vorweg, das Bach Consort unter der Leitung von Attilio Cremonesi  verstärkte nicht übertrieben, aber sehr pointiert die jeweiligen Szenen und versuchte nie, die Sänger zu überspielen, sondern zeigte, dass Orchester und Sänger eine wohlklingende Einheit sind.

Die Handlung ist eine griechische Tragödie, Ödipus heiratet seine Mutter und daraus entstehen vier Kinder:  Antigone, Ismene, Eteocle und Polinice.

Nachdem die Blutschande bekannt wurde, erhängte sich die Mutter Jokaste, Ödipus floh und die beiden Söhne sollten abwechselnd das Familienoberhaupt sein. Es kam jedoch zum Streit und sie erschlugen sich gegenseitig.

Adrasto, die Instanz der Familie, kürt Creonte, den Bruder Jokastes, zum Familienoberhaupt und dieser wieder gestattet nur für Eteocle die Beisetzung in der Familiengruft und Polinice, den Verursacher des Bruderzwistes, mögen die Krähen fressen.

Hier beginnt eigentlich die Oper, in einem Film gedreht wie mit einer alten Schmalfilmkamera  geht die Familie während der Ouvertüre durch einen Friedhof in Trauerkleidung zur Familiengruft, um dort die Trauerfeierlichkeit abzuhalten.

Plötzlich strahlt eine LED Lichtleiste in voller Breite der Bühne in das Publikum und nach Erlöschen befinden wir uns in der Gruft.

Was am Anfang vielleicht etwas merkwürdig erscheint, stellt sich als sehr cleverer Einsatz des Bühnenbildners heraus.

Szenenwechsel werden so sehr interessant vollzogen, indem während des Leuchtens der Zuseher nur die Lichtleiste sieht und  die Szene ganz schwarz erscheint. Nach Erlöschen taucht man in eine neue Szene ein. 

Die Bühne selbst erinnert mich an den Friedhof in Venedig  auf der Insel San Michele, wo auch in Wände die Gräber eingelassen sind und dann mit den Namenstafeln verschlossen werden.

Rundherum sind die Tafeln der Verstorbenen bzw. Getöteten angebracht und verstärkt so die Tragik dieser Familie.

Auf diesem Set wird der Wahnsinn dann zum Höhepunkt getrieben, da die überlebenden weiblichen Geschwister ihren Onkel zur Abkehr seiner Anordnung bringen wollen.

Die Regie gibt den Sängerinnen und Sängern genug Freiraum, um ihre Persönlichkeit  entfalten  zu können. Das ist so wichtig, da nur so Künstler ihre Hochform erreichen und sie taten es.

Die Sopranistin Viktorija Bakan in der Titelrolle verkörperte ihren Schmerz um die Missachtung ihres Bruders auf sehr sensible,  aber auch energische Art. Man bekam Mitleid mit ihr.

In ihrer Trauer und in ihrem Schmerz verliert sie aber nie ihre Würde und eine angenehme Art von Noblesse. Selbst in körperlich sehr unbequemen Positionen , wie zum Schluss von Creonte in dem Grab eingemauert,  schafft sie mit ihren sehr klaren und angenehmen Höhen das Publikum zu begeistern.  Sie kann ihre Stimme je nach Situation von Trauer, Schmerz bis Hingabe wunderbar anpassen. Eine äußerst  gelungene Besetzung.

Die Mezzosopranistin Natalia Kawalek, (siehe auch das Interview auf dieser Homepage) als Antigones Schwester Ismene, legt ihre Rolle sehr energisch an, wobei  ihr ihre kräftige Mezzolage sehr entgegenkommt. Sie genießt es offensichtlich, die ganze Bühne zu bespielen und setzt ihre sichere Stimme szenengerecht ein. Zur Höchstform, sowohl stimmlich als auch schauspielerisch, läuft sie auf, als sie mit einem Dreieckstativ aus Wut 2 Grabtafeln zerschmettert. Ein Energiebündel pur.

Eine Überraschung  war für mich Creontes  Sohn Emone, Antigones Verlobter, der durch den Countertenor Jake Arditti verkörpert wurde. Es gibt nicht sehr viele gute, angenehme Sänger in diesem Fach, aber er ist 100% einer unter wenigen. In der Szene, in der er auf sehr zärtliche Art versucht, Antigone von ihrem Vorhaben, auch den zweiten Bruder verbotenerweise zu bestatten, abzuhalten, umarmt er stimmlich ganz wunderbar seine Braut. Sehr berührend auch das Duett mit Antigone in der Grabkammer.

Der junge Bass Christoph Seidl, als die Familieninstanz Adrasto, gefiel mir ebenfalls. Ich frage mich nur,  wie es der Maske gelungen ist, seine vielen naturgewellten Haare unter einer Perücke mit glatten Haaren zu verstecken ;-)  Ich habe das Gefühl dass dieser  junge Sänger mit seinen Rollen wachsen wird. Lesen sie auch meinen Eindruck über seine Vorstellung beim Porträtkonzert. Auch auf dieser Homepage. 

Mit zwei  Szenen versuchte die Regie offensichtlich die Depression des Stückes nicht eskalieren zu lassen und  setze absichtlich zwei fast erheiternde Akzente.

Als Ismene wutentbrannt die beiden schon erwähnten Grabtafeln zertrümmerte, fiel aus einer Grabkammer ein Brustkorb Skeletteil aus Plastik, was vom Publikum eher erheiternd aufgenommen wurde.

In einer der Schlussszenen halluziniert Antigone bereits  eingemauert in ihrer Grabkammer und sie kauert zusammen mit dem großen Christoph Seidl, Creonte und Emone in dieser und sie trinken Sekt. Auch bei dieser Szene ging ein Lächeln durch den Zuschauerraum.

Wie gesagt, dadurch sollte sicher etwas an Spannung genommen werden, denn am Schluss sind  ja alle tot und was gibt es Schöneres in Wien, als a schöne Leich mit Sekt.

Das Stück handelt von einer griechischen Tragödie, aber denken wir doch einmal nach, Blutrache, Ehrenmord und ähnliches, gibt es auch noch heute und das nicht so weit von uns entfernt…….

Die Oper wird noch viermal aufgeführt und ist meiner Meinung nach ein Muss, da sie zeigt, wie man auch modern wunderschön und verständlich inszenieren kann und wie wunderbar junge Stimmen klingen.

Natalia Kawalek wird unter dem Titel „Intermezzo mit 3 Mezzi“  das Silvesterkonzert im Theater an der Wien mit 2 renommierten Sängerinnen bestreiten.

Weiters wird Natalia Kawalek ab März als Carmen in der Kammeroper zu hören sein und Viktorija Bakan als  Micaela.

Im Jänner beginnen wieder die Porträtkonzerte in der Kammeroper,  beginnend mit Jake Alditi.

In diesen Konzerten ist man den  Künstlern sehr nahe und kann sich ein wunderbares Bild über deren Stimmqualität machen.

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