Ilonja Wenisch - Dierl ehem.Solistin Staatsopernballett

Interview Ilonja Wenisch geb. Dierl, ehem. Solistin im Wiener Staatsopernballett

6.5.2015 Guest House Vienna

 

Herzlichen Dank, dass Sie sich für dieses Interview Zeit nehmen. Ich will den Menschen hinter der ehemaligen Solistin im Staatsopernballett kennen lernen und beginnen wir mit ihrem Werdegang.

Sie haben, inspiriert durch die Musik der Eltern, mit 3 Jahren zu tanzen begonnen. Mit 6 Jahren gingen Sie in die Ballettschule. In diesem Zusammenhang habe ich mir sagen lassen, dass der Spitzentanz (der Tanz auf den Zehen) für Kinder unter 10 Jahren schlecht ist.

Ja, das ist richtig, die Gelenke und die Sehnen sind davor noch nicht stark genug, um das Gewicht des Tänzers tragen zu können.

Nimmt man in der Ballettschule darauf Rücksicht?

Normalerweise schaut man in der Ballettschule darauf. Ich wollte schon mit 6 auf den Zehen stehen, aber das haben sie in der Schule nicht zugelassen oder besser, verboten.

Man hat aber schon das Gefühl für Tanz bekommen?

Ja, wir wurden spielerisch herangeführt. Wir haben manchmal auch in Kostümen kleinere Spiele gemacht. Wir haben auch Aufführungen gemacht, um ein Ziel zu haben. So gab es zu Weihnachten eine Advent-Aufführung.

Ich habe mir sagen lassen, dass die Eltern von Kindern, welche diese schon zeitig in die Ballettschule schicken, sich mit ihnen identifizieren und sie zu puschen versuchen, stimmt das?

Ja, das ist leider sehr oft der Fall. Die Kinder stehen da sehr oft unter Druck. Die höheren Töchter haben früher eine Tanzausbildung erhalten, damit sie eine schöne Haltung haben. Aus dieser Zeit dürfte das kommen. Die Eltern sind oft leider ehrgeiziger als die Kinder.

Sie sind also in die Ballettschule in München gegangen.

Ja, ein halbes Jahr in eine private Ballettschule. Da hat mir dann die Lehrerin gesagt, dass sie mir nichts mehr beibringen kann und hat mich weitergeschickt an eine private Ballettschule in München, an der auch der Royal Academy Stil gelehrt wird. Diese Ballettschule hat die Lizenz, diesen Stil zu unterrichten. Das war dann im Alter von sieben Jahren. Das wurde dann jedes halbe Jahr von einem Prüfer kontrolliert.

Da war ich dann 2 bis 3 Jahre. Bei einer Aufführung im Deutschen Theater  hat mich dann die  Konstanz e Vernon gesehen.  Sie wollte mich in der Heinz Bosl-Stiftung haben, denn diese ist mit der Akademie und der Hochschule für Musik verbunden. ( siehe www.heinz-bosl-stiftung.de )    

Ich musste auch ein Instrument lernen.

Wie schliesst man diese Ausbildung dann in München ab?

Mit einem Prüfungsdiplom. Man ist dann diplomierter Tänzer und wird in die Welt hinausgeschickt.

Man muss dann von einem Theater zum anderen zum Vortanzen fahren.

Kommen da viele zum Vortanzen?

Ja, wahnsinnig viele. Viele scheiden schon „an der Stange“ aus. Es gibt da meistens drei  Phasen: zuerst die Stange, dann zur Mitte und dann die Sprünge.

Gibt es eine Größenbeschränkung?

Zu meiner Zeit wollte niemand die sehr grossen Mädchen haben, da es auch kaum sehr große Tänzer gibt. Beliebt sind so die Grössen zwischen 160 und 170 cm, da es da auch die meisten passenden Partner gibt.

Kommen wir kurz zurück zu den Jahren in den Ballettschulen: Bleibt da noch Zeit, jung zu sein?

NEIN – ganz sicherlich nicht. Mein Freundeskreis hat sich beschränkt auf meinen Studienkollegen und auf meine mitstudierenden Balletttänzer.

Ich war von der Früh bis zum Abend beschäftigt. Ich hatte sehr verständnisvolle Lehrer im Gymnasium, welche auf meine Ausbildung in der Ballettschule Rücksicht genommen haben.

Wie war das Verhältnis Mädchen und Buben in der Ballettschule?

Am Anfang hatten wir einen Buben (lacht). In der Stiftung hatten wir dann schon mehr Männer und wir hatten beim Pas de Deux jeder einen Partner. Das war bei uns ein eigenes Fach und es hatte jeder von uns einen fixen Partner.

Wie hoch ist denn die Ausfallsquote, oder besser, wieviele steigen aus diesem Beruf aus?

In der Akademie hatte  ich niemanden gekannt, als ich dann an der Wiener Staatsoper engagiert wurde stiegen so schon 4 oder 5 aus, welche schon engagiert waren, denen der Beruf aber zu anstrengend gewesen ist, oder die ihn nervlich nicht ausgehalten haben.

Jetzt haben wir einen schönen Übergang zur Staatsoper.

Sie wurden dann an der Wiener Staatsoper engagiert. Es gibt jetzt 2-Jahresverträge, wie war das bei Ihnen?

Bei uns gab es 1-Jahresverträge, welche stillschweigend verlängert wurden, wenn man nicht informiert wurde, dass sie aufgelöst wurden.

Hätten Sie in diesem einen Jahre eine schwerwiegende Verletzung gehabt, dann wäre das Ihr Pech gewesen.

Ja, genau.

Wann war das und was war ihr Debüt?

1985 La Gioconda und da haben wir den Tanz der Stunden gemacht. Das war das erste Mal für mich auf der Bühne der Wiener Staatsoper.

Wie ist das mit dem Einstudieren der Rollen? Bei der Oper studiert eine Sängerin oder ein Sänger den Text ein und der sollte eigentlich bei jeder Inszenierung derselbe sein.  Wie ist das im Ballett? Ändern sich dann die Schritte z.B. bei jeder Schwanensee-Inszenierung?

Ja, ein Choreograph kann umstellen oder neue Schritte wünschen, dann müssen wir das neu lernen.

Es gibt im klassischen Ballett ein Schrittmaterial, kann man beziffern wie groß dieses ist?

Da gibt es tausend Möglichkeiten. Es wurden ja auch Stile zusammengemischt. Das ist alles noch klassisches Ballett.  Es kommt auf die Phantasie an.

Ich habe auf Youtube eine chinesische Aufzeichnung von Schwanensee gesehen. Ist das noch klassisches Ballett oder Akrobatik? (https://www.youtube.com/watch?v=4sMc-p19FIk )

Das ist phantastisch und ist eine Mischung daraus. Die Pirouette auf dem Kopf ist ja eine klassische Ballettfigur.

Ein Sänger spürt die Energie im Publikum, eine Art Energieaustausch. Hat das der Tänzer auch?

Ja, absolut, total. Das ist ja das faszinierende von einem Künstler, der auf der Bühne steht: das Feedback vom Publikum.

Es ist jeden Tag anders. Es ist auch von der Musik her jeden Tag anders. Es ist auch die Schwingung vom Publikum jeden Tag anders.

Die Energie vom Publikum ist auch ausschlaggebend, was ein Künstler dann mit dieser Energie macht.

Auch das Orchester bzw. der Dirigent sind von grösster Bedeutung.

Wenn bekannte Gastsolisten eingeladen werden, ist das für das Ballett von Vorteil?

Ja, das kann die Compagnie schon motivieren. Ein guter Ballettdirektor kennt ja seine Tänzer und sucht auch dementsprechend die Stücke aus.

Was waren Ihre größten Erfolge?

Auf Tournee in Deutschland in einem kleinen Ort, in Bad Oeynhausen …. Da bin ich geflogen wie ein Schwan. Das war unglaublich.  Das war auch beim Pas de Deux ein wunderbarer Einklang.

Wie lange haben Sie an der Wiener Staatsoper getanzt?

Bis 2007.

Sie haben beim Opernball einmal mit behinderten Kindern mitgemacht. Hat Ihnen das Spass gemacht?

Das waren ja vom Verein OK hauptsächlich Jugendliche mit Down Syndrom und teilweise im Rollstuhl. Es war toll, wie sich diese Jugendlichen das Schrittmaterial gemerkt haben.  Es ist so schön, wie herzlich und lebensnah diese Menschen sind. Die Arbeit mit diesen Menschen war phantastisch.

Rückblickend, würden Sie ihr Leben wieder so gestalten?

Oh ja, auf jeden Fall.

Wie lange dauert die Karriere einer Tänzerin?

Ich würde sagen, so bis 40 oder maximal 44. Man muss sich immer schon Gedanken machen, was mach ich dann in 20 Jahren und das sollte man auch schon vorbereiten.

Was machen Sie jetzt?

Ich habe meine Ausbildung als Damen- und Herrenmassschneiderin beendet, mit dem Ziel, zu designen.

Wie machen Sie das eigentlich mit dem Essen, welches im Beruf sicher ein grosses Thema war?

Das ist ein Phänomen. Wir wurden eigentlich sportlich nie betreut, wie z.B. Sportler mit Massagen oder ähnlich. Der Körper gewöhnt sich an eine gewisse Kalorienverbrennung. Man muss bei dieser bleiben, damit der Körper diese auch verbrennt. Das Gewicht bei Ballerinas liegt bei max. 50 kg.

Darüber haben die Herren beim Heben Schwierigkeiten.

Sie haben Kinder und würde Sie diesen den Beruf des Tänzers raten bzw. befürworten?

Ich habe 2 Kinder. Meine Kinder würden sicher unterstützt werden, wenn sie so einen künstlerischen Beruf wählen wollen. Sie sollten sich das aber genau überlegen. Man muss eine ausgereifte Persönlichkeit sein, da man viel einstecken muss. Man muss auch Demütigungen einstecken, man muss sehr viel Schmerzen aushalten.

Gibt es ein Lieblingsessen?

Mein Lieblingsessen ist ein thailändisches Gemüsecurry. Wenns geht auch scharf.

Gibt es ein Lieblingsurlaubsland?

Das ist schwierig. Ich war in sehr vielen Ländern arbeiten. Was mich sehr berührt hat, war Japan. Diese ausgeglichene Stimmung, die ruhige Schönheit der Landschaft hat mich sehr berührt. In diesem Zusammenhang auch Schottland.

Was bedeutet für sie Lebensqualität?

Ein schönes Haus im Grünen mit einem wunderschönen Garten. Wenn die Kinder glücklich sind und ihre privaten Leidenschaften ausleben können.

Sind sie eine strenge Mutter?

Nein, leider gar nicht. Wenn es  darauf ankommt kann ich aber schon streng sein, z.B. bei Schularbeiten.

Meine Eltern haben mir eine sehr offene Beziehung angedeihen lassen, in der ich meine Persönlichkeit entwickeln konnte und das möchte ich meinen Kindern auch mitgeben.

Die Zeit an der Oper war für Sie eine schöne Zeit?

Ja, kann man sagen.

 

Ich danke für das Gespräch.

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