Viktorija Bakan - Sopran

Interview Viktorija Bakan, Sopranistin aus Litauen. Zuletzt im Ensemble der Wiener Kammeroper, das ist das Junge Ensemble Theater an der Wien. Wien am 20.6.2016

Viktorija, dein Name bedeutet soviel wie „die Siegerin“ daher meine Frage, hast du lieber Rollen, in denen du die Verliererin bist, oder Rollen, in denen du die Siegerin bist?

Diesen Namen habe ich von meiner Großmutter bekommen, denn als ich geboren wurde hatte ich sehr wenig Eisen im Blut, ich war sehr blass und der Doktor konnte nicht sagen, wie sich mein Zustand weiterentwickeln würde und welche Erkrankung ich hätte. Zum Glück war es aber nur der Eisenmangel.

Deshalb habe ich auch dann diesen Namen bekommen, da ich zu dieser Zeit eine Kämpferin war und auch weiter sehr stark bin.

Ich denke, dass du eine Kämpfernatur bist.

Du musst bedenken, ich komme aus einem kleinen Land und wenn man dann in das große Europa mit den großen Städten kommt weiß man, dass man kämpfen muss.

Ich habe beim Singen zwei Abschnitte, oder sagen wir zwei Phasen. In der ersten habe ich nicht meinen starken Charakter gezeigt und so dachten alle, die Rollen müssten wie z.B. Gilda, eben eine sehr ruhige oder brave sein.

Die erste Rolle in der ich Gewinner sein konnte war die Adina. Die erste starke Rolle, die ich ihn Wien gesungen habe, war die Tatjana in Eugen Onegin und da habe ich empfunden, dass sie auch zu mir passt.

Am Anfang konnte ich auch nicht glauben, dass ich die Antigone singen könnte, denn es gab so viele Parallelen zu meinem Leben, wie z.B. der Verlust meines Bruders. Natürlich würden da Erinnerungen wie z.B. bei der Begräbniszeremonie hochkommen.

Du hast dann die Rolle sehr intensiv gespielt.

Das war natürlich auch durch die Unterstützung des Regisseurs, aber ich konnte feststellen, dass ich auch stark sein kann.

Ich habe dich über die Kammeroper kennengelernt. Wie bist du dorthin gekommen?

Das war ein Zufall. Mein Mann war 2 Jahre in Belgien und ich in Zürich. Danach waren unsere Kontrakte zu Ende und mein Mann bekam eine Arbeit in der Kammeroper. Ich habe damals Sebastian Schwarz (zuständig für Kammeroper und jetziger Intendant in Glyndebourne) kennengelernt. Ich habe vorgesungen und mir wurde gesagt, dass man auf eine passende Rolle warten würde.

Da kamen jedoch die Schwangerschaft und dann die Geburt meines Kindes dazwischen. 

Meine Karriere war dadurch unterbrochen. Fünf Monate nach der Geburt spürte ich, dass in mir eine Energie steckt, die verlangt, dass ich wieder etwas machen muss. Ich wollte singen, hatte etwas Angst, da sich nach der Geburt die Stimme verändert hat. Dann habe ich entschieden, Stücke im Theater an der Wien anzunehmen, die ich vorher noch nie gesungen habe, wie z.B. die Donna Anna in Don Giovanni, welche ich mir selbst ohne Korrepetitor einstudiert habe.

Nach zwei Monaten Wartezeit (da so viele Sängerinnen vorgesungen haben) wurde ich verständigt, dass ich die Rolle bekommen habe. Das war dann 1 Jahr nach der Geburt meines Sohnes, als ich wieder begonnen habe zu arbeiten.

Was war deine Lieblingsrolle in der Kammeroper?

Mein Professor in Litauen und auch viele andere Experten haben mir gesagt, dass meine Stimme sehr viele Farben hätte und daher war ich bei allen Rollen mit meinem Herzen dabei. Ich habe mich in der Rolle selbst gefunden und keine der Rollen war weit von meinem Charakter entfernt, sodass ich sagen müsste, dass sie mir nicht gelegen ist.

Du kommst aus Litauen, was führte dich eigentlich nach Wien? 

Wien gefällt mir so sehr. Das erste Mal war ich hier 2008 beim Belvedere Wettbewerb. Da habe ich meinen Mann getroffen. Obwohl wir aus der gleichen Stadt in Litauen kommen, haben wir uns erst in Wien kennengelernt. Deshalb habe ich zu dieser Stadt auch eine gute und emotionale Bindung. Ich liebe die Kultur in dieser Stadt.

Hast du deine Ausbildung in Litauen begonnen und wolltest du immer schon singen?

In Litauen wollte ich immer schon etwas mit Kunst machen, aber ich dachte damals noch nicht an ein professionelles Singen. Singen gehörte einfach dazu, wie zum Beispiel Laufen.

Ich habe immer und überall gesungen und das macht mein Kind jetzt auch. Er erzählt nicht Geschichten, er singt sie.

Meine Eltern unterstützten mich, aber der Motor war eigentlich mein Lehrer, welcher mich auf die Wettbewerbe geschickt hat. Meine ersten Auszeichnungen habe ich mit 5 Jahren bekommen.

Nach dem Abitur hat man mir gesagt, dass die Entscheidung eine leichte wäre, denn ich müsse ganz einfach singen. Für mich war das damals noch nicht so klar, denn für mich war Singen was ganz normales und nichts Ernstes. Ich habe überlegt, ob ich etwas mit Sprache oder Design machen solle.

Aber dann habe ich gemerkt, dass ich singen muss und habe mich auch für diese Karriere entschieden. Meine Prüfungen waren sehr positiv und so habe ich an der Akademie in der Hauptstadt zu studieren begonnen.

Sind deine Eltern auch Musiker?

Nein überhaupt nicht, nur die Mutter meines Vaters hat eine sehr gute Stimme gehabt.

Du würdest mit deiner derzeitigen Erfahrung diesen Beruf wieder auswählen?

Ja sicher (kommt ohne nachzudenken). Singen gehört zu mir – das heilt mich. Ich singe, wenn ich heiter, oder wenn ich traurig bin.

Ich habe dich als ganz klaren Sopran ohne irgendwelche Nebentöne kennengelernt. Vielleicht liegt das auch an der klaren Luft des Nordens. Du bist weiters eine Sängerin, die sehr viel Herz verwendet.

Das liegt auch an der Stimmfarbe. Mein Lehrer hat mir immer gesagt, ich hätte so etwas wie einen Silberklang. In der Akademie hatte ich nie so eine starke Stimme und man glaubte, dass ich eher für Kammerkonzerte die Stimme hätte.

Ich bin sensibel und bin ein sehr positiv denkender Mensch. Ich nehme alles Schöne sehr intensiv wahr.

Meine nächste Frage hast du ja ohnedies schon indirekt beantwortet: bist du sehr romantisch und gefühlvoll?

Ja das bin ich. Ich kann natürlich auch sehr stark sein, aber nie rüde, denn wenn man intelligent ist, kann man da auch einen anderen Weg gehen.

Hast du für die Zukunft Pläne, Wünsche, Träume?

Ich habe überlegt, welche Rollen zu mir am besten passen würden und da kam ich zu der Entscheidung, dass ich lyrische Sopranrollen einstudieren werde und dies auch beim Vorsingen berücksichtigen. Ich lerne deshalb ein dementsprechendes Repertoire. Eines das zu mir passt.

Du hast einen Sohn, den du sehr liebst und den du in das Zentrum deines derzeitigen Lebens stellst. Ist diese Einschätzung richtig?

Das ist natürlich auch situationsbedingt. Ich fühle mich immer etwas schuldig, dass ich nicht so viel Zeit mit ihm verbringen kann. Er ist nicht gerne bei den Großeltern oder beim Babysitter. Oft schläft er noch, wenn ich weggehe und wenn ich komme schläft er auch schon wieder. Wenn ich viel arbeite, z.B. durch die Vorbereitung einer Produktion. Die Vorbereitung dauert dann mindestens einen Monat und dann kommen die Vorstellungen.

Durch mein Muttergefühl steht er im Zentrum, aber in Zukunft muss er natürlich auch Selbständigkeit lernen.

Hast du Traumrollen?

Lange Zeit waren dies Cleopatra von Händel und Violetta. Jetzt schwanke ich zwischen Barock und Romantik. Ich liebe auch das Lied, aber es braucht viel Vorbereitung um die richtige Emotion in das Lied hineinzubringen. Musikalisch ist ja alles klar, aber ich will auch die Emotionen ganz intensiv herausarbeiten.

Da kommen wir automatisch zur nächsten Frage:

Wie wichtig ist für dich die Regie, um deine ganz Persönlichkeit in die Rolle legen zu können?

Das ist sehr schwierig zu beantworten, denn manchmal fordert der Regisseur sehr viel körperlichen Einsatz und dann wieder dauert es und ich probiere wie ich die Rolle emotional auslegen kann. Die Bedeutung der Regie liegt ca. bei 50 Prozent. Nehmen wir zum Beispiel die letzte Produktion Hänsel und Gretl. Natürlich gibt es Kritik, aber die Regisseurin war ein Wahnsinn. Sie konnte ein so gutes Gefühl vermitteln. Ich war innerhalb einer Woche in die Rolle (Gretl) verliebt, rein aus der Stimmung heraus. Deshalb war auch in der Vorstellung diese schwer zu singende Rolle wie ein Spiel für mich.

Du hast in dieser Rolle die Sorge um den Bruder besonders stark herausgearbeitet.

Durch meine 2 Brüder (einer ist leider verunglückt) konnte ich die Situation sehr gut nachfühlen und auch dementsprechend umsetzen.

Die Brüder sind die Jüngeren und deshalb war ich zuhause auch immer die Chefin.

Hast du lieber kleine Bühnen oder große Häuser?

Ich liebe die Weite, in der ich mich verlieren kann. Am Anfang habe ich mich zwar wie eine kleine Maus gefühlt, aber jetzt fühle ich mich auf der großen Bühne wohler.

Wie erreichst du den Energieaustausch mit dem Publikum?

Du musst zuerst etwas sagen, auch mit deinem Herzen, denn dann ist es natürlich. Es ist schon vorgekommen, dass das Publikum nicht so enthusiastisch war, aber am Ende dann voller Energie ist.

Welches Buch hast zu zuletzt gelesen?

Bücher einer russischen Poetin.

Vermisst du deine Heimat?

Ja sehr, denn ich liebe Litauen, aber ich würde auch sehr gerne hierbleiben.

Hast du einen Lieblingsort in Wien?

Den Augarten liebe ich sehr.

Hast du ein Lieblingsessen?

Etwas mit Fleisch – hier Schnitzel.

Dein Lebensmotto?

Warum suchst du das Gute und Schöne nur bei anderen? Du musst es selbst in dir haben um glücklich zu sein.

Es war ein wunderbares Gespräch und ich bedanke mich herzlich bei Viktorija, dass ich so in ihre Seele blicken durfte. Sie würde auch gerne wieder die virtuelle Kommunikation zurückschrauben zugunsten des persönlichen Gespräches sieht aber ein, dass dies in unserer sehr schnelllebigen Zeit immer schwieriger wird.

Mir hat dieses Gespräch mit ihr sehr viel Spaß gemacht und ich habe auch wieder viel daraus gelernt. Eines ist für mich sicher, dass sie in den für sie passenden Rollen noch große Erfolge feiern wird.  Ich halte ihr die Daumen, denn sie hat es sich verdient.

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